Parasportlerin Jacqueline Fritz klettert in der Pala-Gruppe Auf fünf Beinen durch die Dolomiten Jacqueline Fritz besteigt Viertausender, überquert die Alpen und klettert im Weltcup. Mit einem Bein. Diesen Sommer war die 37-jährige Südpfälzerin in der Pala-Gruppe in den Dolomiten unterwegs. Mit 18 Kilo schwerem Rucksack. Immer mit dabei: ihr Hund Loui. Jacqueline Fritz hat einfach drei PS mehr. Die 37-Jährige sprüht nur so vor Herzlichkeit, Optimismus, guter Laune und Lebenslust. Dabei hat sie das Schicksal schon als junges Mädchen voll von hinten erwischt. Was war geschehen? Als 14-jähriges Mädchen war sie beim Balletttraining umgeknickt und hatte sich die Bänder im rechten Knöchel gerissen. Die OP ging schief und für Jacqueline begann ein acht Jahre langer Alptraum, der mit der Frage endete: Bein amputieren oder sterben? „Ich entschied mich gegen das Bein. Und für das Leben“, sagt Jacqueline und lacht. Schritt für Schritt kämpfte sich die junge Frau wieder zurück ins Leben. Begann mit Wandern und Bergsteigen, bald schon mit dem Klettern. Heute klettert sie im Paraclimbing-Weltcup, besteigt Viertausender und überquert die Alpen. Und inspiriert mit ihren Touren und Vorträgen Behinderte und Nichtbehinderte gleichermaßen. Jacqueline Fritz ist Mutmacherin. „Ich zeige in meinen Vorträgen den Menschen, wie ich es geschafft habe, aus der Hölle wieder ans Licht zu kommen“, sagt die 37-Jährige. „Und das Leben ist geil!“ Der steile Weg auf einem Bein auf den Gipfel – und in die Herzen der Menschen Jacquelines Motto: Jeden Sommer ein großes Projekt! Aber 2022 kam alles anders als erwartet. Erst starb ein Freund der auch Teammitglied war, dann erkrankte ihre Lieblingsfotografin. Und dann wurde der Montblanc, ihr großes Ziel, wegen Eisbruchgefahr gesperrt. Was tun? Ganz einfach: allein bergsteigen, selbst fotografieren und filmen! Wobei: Ganz allein ist Jacqueline nie unterwegs. Immer an ihrer Seite: Loui. Der ist acht. Und Jacquelins bester Freund. Sein Beruf: Assistenzhund. „Im alltäglichen Leben, aber natürlich auch im Gebirge, passt er auf mich auf“, sagt Jacqueline. „Loui warnt mich im Voraus vor Gefahrenstellen wie rutschigen Untergründen oder Abgründen. Nachdem er mir Bescheid gegeben hat, sucht er selbstständig nach Alternativen. Und falls ich Hilfe brauche, dann bellt er wie verrückt, um andere Bergsteiger aufmerksam zu machen“, sagt sie. „Wenn nichts mehr hilft, dann tritt er Steine los.“ Musste er aber noch nie. Auch nicht bei ihrem diesjährigen Sommer-Abenteuer in den Dolomiten. Schnell mal eine neue Tour „auf die Beine gestellt“: eine hochalpine Hütten-Kletter-Tour Jacqueline Fritz liebt außergewöhnliche Touren. Und sie liebt lange Strecken. Also war schnell klar, dass es eine mehrtägige Trekkingtour von Hütte zu Hütte wird. Aber nur Gehen ist auch fad! Es sollten auch Klettersteige und alpines Klettern dabei sein. „Gar nicht so einfach, etwas Anspruchsvolles zu finden“, sagt Jacqueline. Aber irgendwann stieß sie bei ihrer Online-Recherche auf die Palagruppe bei San Martino di Castrozza. „Die Gegend hat mich gleich in den Bann gezogen. Mir ist sofort ein Berg ins Auge gestochen: der Sass Maor. Da wollte ich hoch! Also standen die Eckdaten fest: Start am Samstag, den 6. August. Achttägige Trekkingtour durch die Palagruppe mit zwei Übernachtungen im Rifugio Rosetta, einer Nacht im Rifugio Prediali sowie drei Übernachtungen im Rifugio Treviso. Highlights: der Klettersteig „Via Ferrata del Porton“ und die Mehrseillängenklettertour auf den „Sass Maor“ (2824 m). Erstes Highlight der achttägigen Dolo-Tour: der Klettersteig Via Ferrata del Porton. Diesmal war eben alles anders: „Wegen der Krankheit meiner langjährigen Kamerafrau musste ich selbst fotografieren und filmen“, erzählt Jacqueline. Aber am Klettersteig und beim Alpin-Klettern funktioniert das nicht. Also holte sie sich Nicola Degasparis und Andrea Tamilla als (filmende und fotografierende) Kletterpartner ins Boot. Und Profifotograf Flo Gassner. Und Loui? Der Klettersteig war für ihn kein Problem, bei der Mehrseillängentour blieb er aber lieber bei Flo Gassner und bewachte ihn beim Drohnenfliegen. Perfekte Arbeitsteilung. Zurück zum Klettersteig. Die Via Ferrata del Porton stand an Jacquelines drittem Tourentag im Programm. „Der Klettersteig ist sehr exponiert, es gibt etliche Leitern, teilweise keine Absicherung – also genau mein Ding!“ Wegen des losen Gesteins ist absolute Trittsicherheit erforderlich. Und sieben Stunden lang höchste Konzentration. Unterwegs erhielt die einbeinige Jacqueline spontan Hilfe von zwei Klettersteiggehern. „Die beiden waren so begeistert von Loui und mir, dass sie uns unbedingt begleiten wollten. Sie boten sogar an, meinen Rucksack im Klettersteig zu tragen“, erzählt Jacqueline. „Das habe ich dankend angenommen! Immerhin wiegt mein Rucksack mit meinen Sachen, Louis‘ Kram plus Futter, Kletterausrüstung, Klettersteigausrüstung, Kameras, Drohne usw. um die 18 Kilo …“ Zweites Highlight: die Mehrseillängentour auf den Gipfel des Sass Maor Dieser kecke Zinken ist eine der klassischen Klettertouren in den Dolomiten. Vom Tal scheint es unmöglich, die 1000 Meter hohen, senkrechten Wände zu besteigen. Aber es führen einige Routen bis ganz hinauf. Die, die Jacqueline und ihre Kletterpartner Andrea und Nicola kletterten, wurde im Jahre 1928 erstbegangen und wird mit Schwierigkeitsgrad 5 bewertet. „Das Hauptproblem für mich waren die vielen Kaminklettereien“, sagt die einbeinige Kletterin. „Aber es war erstaunlich gut kletterbar.“ Nach 13 Seillängen, 650 Klettermetern und vier Stunden Kletterzeit standen Nicola, Andrea und Jacqueline inmitten von Nebelschwaden am Gipfel des Sass Maor. „Der Abstieg bereitete mir durch das viele lose Gestein viel mehr Probleme als der Aufstieg. Wir bauten einige Seilbrücken durch die Rinne, was sehr gut funktionierte. So konnte ich einige der Gehpassagen auslassen.“ Perfetto! Jacqueline Fritz ist viel mehr als nur „die Einbeinige, die klettert“. Sie ist Mutmacherin Mit einigem zeitlichem und räumlichen Abstand sagt Jacqueline heute über ihre Dolomitentour 2022: „Dieses Projekt habe ich sehr viel intensiver wahrgenommen als jedes andere zuvor. Ich habe mir während der Tour viele Gedanken über mich selbst gemacht, über mein Leben, meine Erfahrungen. Ich habe mich sehr viel mit Menschen unterhalten. Mir ist noch klarer geworden, warum ich solche Projekte mache. Was es für mich bedeutet, als Behinderte in diesem Sport unterwegs zu sein. Und welches „Geschenk“ ich durch den Verlust meines Beines eigentlich bekommen habe: anderen Menschen durch meine Geschichte und meine Abenteuer neuen Mut mit auf den Weg zu geben. (Pressemitteilung: Text: Andreas Kern)
Hier kannst du den Trailer zum Projekt anschauen Ein Film von Flo Gassner und Jacqueline Fritz

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Fotos: Flo Gassner